Abends in Berlin. Ich gehe in meine Lieblingskneipe in Kreuzberg. Doch nach einem Bier gehe ich wieder da ich verräucherte Luft nicht ertrage. Es scheint mir als würde in Berlins Kneipen mehr geraucht als jemals zuvor, als frönten die Raucher einer heimlichen unausgesprochenen „Jetzt erst recht“ Attitüde. Wohin man auch geht in Kreuzberg und Neukölln, es wird ausgiebigst geraucht. Auch im Süden der Republik trifft man sich nun in „Raucherclubs“. Ich staunte nicht schlecht als ich in meiner alten Stammkneipe in München plötzlich meinen Namen, Geburtsdatum und Wohnort in eine Liste eintragen musste um ein wenig später einen eingeschweissten Clubausweis zu erhalten. So wurde ich als Nichtraucher Mitglied in einem Raucherclub.
Wie in kaum einem anderen Land in Europa kämpft die Bevölkerung in Deutschland unerbittlich für ihr Recht zu rauchen, gegen die Einschränkung ihrer Freiheit und ihrer Grundrechte. Die deutschen Feuilletons quellen über vor Ergüssen über den Sinn und Unsinn des Rauchens, Deutschlands Intellektuelle sinnieren über die Folgen und Ursachen des Rauchverbots. Verlage bringen Bücher zur Kultur des Rauchens heraus und Schriftsteller gehen auf Tour in verqualmten Clubs um eine Lanze für die Zigarette zu brechen.
Allen ernstes bekommt man dabei unter anderem zu hören es handle sich beim Rauchverbot in erster Linie um eine Schikanierung der Bevölkerung durch die herrschende Klasse um von den echten Problemen unserer Gesellschaft abzulenken, um eine Induzierung individueller Schuldgefühle. Es geht also anscheinend um viel mehr als um die Gesundheit und den Schutz der Nichtraucher.
Ich verbringe einige Zeit im europäischen Ausland und habe nirgendwo vergleichbares erlebt. In England, Spanien und Norwegen fand ich weitgehend eine Einhaltung des Rauchverbots vor. Und ausgerechnet in Italien, in dem Land dessen Bevölkerung berühmt ist dafür sich nicht an Regeln zu halten, funktioniert das Rauchverbot ganz ausgezeichnet. Es hat sich dort mittlerweile dermassen etabliert, dass es selbst auf privaten Festen und Versammlungen normal ist nicht mehr einfach drauf los zu rauchen in der Menschenmenge. Und das geht ganz ohne unendliche Diskussionen und Angst vor Bevormundung. Es hat sich als gesellschaftlicher Konsens etabliert. Selbst im tiefsten Sizilien herrscht mehr Respekt vor dem Nichtraucher als in Berlin. Und das hängt nicht nur mit dem Klima zusammen.
Das Rauchverbot hat einen empfindlichen Nerv bei den Deutschen getroffen. Kaum ein Gesetz wurde dermaßen als Einschränkung und Eingriff in unsere Rechte empfunden. Gerade die regeltreuen Deutschen rebellieren gegen den Gesetzgeber, planen den Zwergenaufstand und gehen vor das Verfassungsgericht. Warum ist das so?
An allen Ecken und Enden werden unsere Freiheiten und Rechte beschnitten, aber beim Rauchverbot entsteht aktiver Widerstand. Unsere Telefone werden überwacht, der Staat speichert sämtliche Verbindungsdaten, alles wird wegprivatisiert inklusive unserer Gesundheitsversorgung und unserer Bahn, der Sozialstaat wir abgebaut, es entsteht eine neue Armut in Deutschland. Der Neoliberalismus und der Kapitalismus schlagen Schneisen quer durch unsere Gesellschaft und hinterlassen tiefe Narben. Und im Zuge des Terrorwahns haben wir mittlerweile biometrische Ausweise, es wird versucht das Militär im Inneren einzusetzen und wir lassen uns bereitwillig die Wasserflaschen bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen abnehmen.
All das trifft den Deutschen aber nicht so empfindlich wie das Rauchverbot, eine Einschränkung im Konsum von Tabak, dem Produkt einer Milliardenschweren Industrie. Hier wird der Konsum eines industriellen Produkts als grundlegendes Recht gesehen. Die Freiheit ist in Gefahr tönt es nun plötzlich unerwartet heftig von allen Seiten. Und gerade in Kreuzberg wo man schon mal im Kampf gegen den Kapitalismus auf die Strasse geht wird dieses Recht auf Konsum verteidigt und es werden weiterhin regelmäßig die fünf Euro in die Maschinen geworfen die die Großindustrie an unseren Hausecken angebracht hat.
Kann es sein dass dies der Wiederhall einer Assoziation ist die uns Jahrzehntelang auf allen Kanälen ins Gehirn gehämmert wurde? Rauchen und Freiheit? „Nein!! Keinesfalls!!“ bekommt man meistens zur Antwort wenn man diesen Gedanken äußert. Der Gedanke scheint tatsächlich etwas zu simpel um wahr zu sein. Aber wenn man sich näher damit beschäftigt merkt man dass dieses Bild vielleicht tiefer in uns verankert ist als wir es glauben wollen. Ich habe ein Jahr lang in einem Meinungsforschungs-Institut (oder auch Callcenter genannt) gearbeitet das hauptsächlich für einen der größten Tabakkonzerne arbeitet. Den Großteil der Interviews die ich führen musste waren zum Thema Zigaretten. Zwischen 20 und 40 Minuten lang werden täglich hunderte deutsche Staatsbürger zu ihren Rauchgewohnheiten befragt. Diese Studie wurde bereits seit Jahrzehnten betrieben und hat Unmengen an Daten produziert. Nach Geschlecht, Alter, Einkommen und Wohnort sortiert wird hier die Bevölkerung ziseliert und minimale Änderungen im Rauchverhalten werden hier wie kleinste Erdbeben von Seismographen registriert. Hier wird registriert welchen Einfluss neue Werbungen haben, wie das Produkt des Konkurrenten ankommt, wie veröffentlichte Studien und Berichte das Verhalten ändern, wie sich neue Gesetze auf die Konsumenten auswirken. Und entsprechend werden diese Daten dann benutzt um neue Marketingstrategien und Produkte zu entwickeln.
Ein Teil des Interviews besteht aus „Assoziations-Spielen“. Zum einen gibt es freie Assoziation, die Teilnehmer nennen frei von der Leber was ihnen zu bestimmten Produkten oder Zigaretten im allgemeinen einfällt oder ich nenne Begriffe wie „Abenteuer“, „Freiheit“, „Geselligkeit“, „Gemütlichkeit“, „Weltoffenheit“ und die Teilnehmer dürfen dann auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten in wie weit dieser jeweilige Begriff auf diese oder jene Marke zutrifft. Und ich muss sagen es herrschen sehr genaue und klare Vorstellungen in unserer kollektiven Verbraucherseele dazu was welches Produkt repräsentiert. Und ganz klar existieren die Assoziationen von „Freiheit“ etc in Bezug auf Zigaretten. Das was uns jahrelang auf Werbetafeln und in Spots vorgelebt wurde existiert auch so in unseren Vorstellungen. Es ist bloß die Frage ob dass nun aufgrund der Werbung so ist oder ob Zigaretten tatsächlich das sind was wir glauben zu meinen. Aber ich fürchte wir unterschätzen die Macht und Kraft von Werbung wenn wir meinen völlig frei von ihr zu sein und ganz nach freiem Willen zu handeln. Eventuell zeigt das nur wie gut Werbung tatsächlich funktioniert.
In meiner Eckkneipe in Kreuzberg sitzend werden diese Assoziationen zumindest für mich ad absurdum geführt. Ich sehe nichts geselliges, fröhliches und gemütliches darin wenn mir die Augen tränen und es schwer wird den Hustenreiz zu unterdrücken. Der kollektive Traum der Freiheit manifestiert sich hier in Form von dichtem blauem Qualm, in Form von brennenden Zigaretten die pro Stück 25 Cent kosten, deren Rauch abhängig und krank macht. Und das ging mir schon lange vor dem Rauchverbot auf die Nerven, insbesondere in Berlin. Es scheint manchmal als gäbe es keine Nichtraucher in der Stadt. Und gerade in Berlin findet man sich oft in Räumen wieder die praktisch keine Belüftung haben.
Ist die Zigarette tatsächlich untrennbar mit Geselligkeit, Fröhlichkeit und Freiheit verbunden? Stimmt es das Raucher die lustigeren und geselligeren Menschen sind? Weil sie rauchen oder weil gesellige Menschen rauchen? Stimmt es das Raucher die besseren Gäste sind?
In Europa war die deutsche Zigarettenlobby sicher die einflussreichste und am besten organisierte. Ihre Kontakte reichten direkt in die Behörden und in die Ministerien unserer Legislative. Die Bundesregierung ließ sich sogar die Gesetzesvorschläge vom VdC vorformulieren und brachte diese inklusive Komma-Fehler in den deutschen Bundestag ein. Nicht zuletzt dem VdC wird es auch zu verdanken sein das sowohl Bundeskanzler Kohl sowie auch Schroeder ihrerzeit gegen das Werbeverbot für Zigaretten vor den Gerichtshof in Brüssel zogen.
Zudem finanzierte der VdC auch mehrere Einschlägige Studien die u.a. belegten dass Raucher die besseren (zahlungsfreudigeren) Gäste seien und schürte bei den Gaststättenverbänden Angst vor einem Rauchverbot. Meisterhaft setzten sie ihre Interessen gegen eine real existierende Mehrheit die für Nichtraucherschutz war durch. Hier wurden die Strippen an höchster Stelle gezogen damit Deutschland weiterhin eines der freiesten und liberalsten Länder gegenüber dem Tabakkonsum bleibt.
Deutschland hat z.B. den höchsten Anteil an jugendlichen Rauchern in Europa mit einem Anteil von 30% bei einem Einstiegsalter von durchschnittlich weniger als 12 Jahren. Nicht zuletzt steckt der Staat natürlich auch in einer Zwickmühle in Anbetracht der Tatsache dass die Tabaksteuer die zweitbeste Einkommensquelle nach der Mineralölsteuer ist. Hier stehen finanzielle Interessen ganz klar gegen gesundheitliche und haben sicherlich die Einführung eines Rauchverbots nicht erleichtert.
Bis zuletzt versuchte die Regierung das drohende Verbot abzuwehren. Ein Verbot für das seit langer Zeit eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung existiert. Als es keinen Ausweg mehr zu geben schien fiel es Kanzlerin Merkel plötzlich ein das der Bund kein Rauchverbot erlassen könne. Dies müssten die Länder machen. Die Folge war ein weiterer Zeitgewinn und eine eklatante Fragmentierung der Gesetzgebung zum Nichtraucherschutz. In Bayern wurde das Thema sogar zum Wahlkampf entscheidenden Thema stilisiert, jedes Land erließ seine eigenen Regelungen und Ausnahmen, das Ergebnis ist ein bunter Flickerlteppich und Verunsicherung bei den Bürgern.
Am Tage der Einführung des Rauchverbots passierte in Berlin erstmal genau dass was passieren musste. Einige Kneipen befolgten das neue Gesetz und es durfte nicht mehr geraucht werden. Wieder andere taten so als wäre nichts passiert, es gäbe ohnehin eine Schonfrist von sechs Monaten. Nun gab es Kneipen in denen geraucht werden durfte und Kneipen in denen nicht geraucht werden durfte. Irgendwie fühlte man sich ungewohnt gemaßregelt in den Kneipen in denen nicht geraucht werden durfte und wenn in der Gruppe diskutiert wurde wohin man gehen sollte entschied man sich aufgrund der Raucher meistens für die Kneipe in der man rauchen darf. Ganz klar zeigte sich dass die Kneipen ohne Rauchverbot mehr Gäste haben, es bestätigte sich was man ja schon immer gewusst hat. Weggehen und saufen ist untrennbar mit rauchen verbunden. Der Bär tanzt nur in den Läden in denen geraucht werden darf.
Eifrig wurde die folgenden Monate diskutiert über diese Wahrheiten ohne dabei wirklich zur Kenntnis zu nehmen wie dieses Gesetz entstanden war und wie es umgesetzt wurde. Es entstand ein wunderbares Gefühl der Solidarität und Genugtuung unter den Rauchern gegenüber der unsinnigen Gesetzgebung, wie gesagt habe ich den Eindruck es werde nun noch viel genussvoller und mehr geraucht als vorher. Die Zigarette die lange als Symbol der Rebellion und des anders seins beworben wurde hat nun wieder ein erfrischendes Update in seiner Signifikanz erhalten. Sie wird zum Ausdruck einer freien Gesellschaft die sich nicht durch irgendwelche Verbote bevormunden lässt, zum Ausdruck einer Kultur des anders seins. Ähnlich wie in den sechziger Jahren als die Miniröcke eingeführt wurden und Frauen anfingen zu rauchen und die Zigarette zum Symbol der Emanzipation wurde (was unter anderem bewirkte das sich die potentielle Kundschaft um 100% vermehrte). Das Establishment mit der Zigarette schockieren. Und nicht selten muss man sich in Diskussionen zum Thema als Spießer oder gar als Faschist beschimpfen lassen.
Liegt da vielleicht der Hund begraben? In den tiefen unserer unrühmlichen Vergangenheit, in unserem tiefen Glauben an das „Nie wieder“, in unserer Aversion gegen Diktatoren und Bevormundung? In unserer Vergangenheit in der Minderheiten unterdrückt wurden, in der anders sein nicht toleriert wurde und in der Gesundheit ein hohes Gut war in Folge dessen derzeit ein Rauchverbot eingeführt wurde? Rauchverbote sind also faschistisches Gedankengut welches zu einem Gesundheitsfaschismus und Unterdrückung von Andersdenkenden Menschen führt!? Wird durch das Rauchverbot das Bild eines asketischen und genussverachtenden Helden hochstilisiert? Ist es das? Das wir besonders sensibel reagieren auf faschistoide Tendenzen? Halten wir hier so noble Werte wie Toleranz und Demokratie in die Höhe? Oder erliegen wir da einem lächerlichen Reflex, einem völlig undifferenzierten und übermäßig simplifizierten Kurzschluss von Begrifflichkeiten? Wird hier nicht die Zigarette zu etwas stilisiert das sie garnicht ist?
Was ist die Zigarette denn? Ein industriell gefertigtes Produkt aus Papier, fein geschnittenem Tabak und meistens ist noch ein Filter aus Cellulose dabei. Hinzu kommen Zusätze wie z.B. Lakritze, Karamell, Kaffee, und diverse Chemikalien. Der Rauch des Tabaks enthält mehrere tausend Stoffe, zweitausend davon sind als giftig bekannt. Genannt seien z.B. Formaldehyd, Blausäure, Benzol und natürlich das Nikotin. Nikotin ist eine der am schnellsten süchtig machenden Substanzen überhaupt und steht darin dem Heroin kaum nach. Die Zigarettenhersteller sind sich dessen durchaus bewusst und verstärken den Effekt durch Zusatzstoffe wie Menthol in geringen Mengen oder alkalische Stoffe welche die Absorption des Nikotins verstärken. Nikotin wurde wegen seiner toxischen Wirkung auch als Pestizid eingesetzt, darf aber seit den siebziger Jahren nicht mehr verwendet werden.
Etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung kaufen sich Zigaretten. Der drittgrößte Tabakkonzern British American Tabacco hat bei einem Marktanteil von 17% z.B. im Jahr 2003 792.000.000.000 Zigaretten verkauft und etwa 17.000.000.000 $ Umsatz gemacht (zum Vergleich: die Weltbevölkerung beträgt im Augenblick etwa 6.700.000.000 Menschen). Der deutsche Staat nimmt jährlich etwa 14.000.000.000 Euro durch die Tabaksteuer ein, weltweit werden jährlich schätzungsweise 137.000.000.000 Euro an Tabaksteuer erhoben.
Die durch das Rauchen verursachten gesundheitlichen Schäden sind vielfältig und würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Es stirbt etwa jeder vierte Raucher vorzeitig an den Folgen des Rauchens, in Deutschland macht das etwa 110.000 Menschen im Jahr, beziehungsweise etwa 300 Personen am Tag. Damit sterben durch Tabakrauch mehr Menschen als an Alkohol, Drogen und Verkehrsunfällen zusammen. Täglich stürzt ein Jumbojet in Deutschland ab ohne das es jemanden stört.
Die Zigarette ist also ein legal verkauftes, stark süchtig machendes und schwer gesundheitsschädliches Produkt welches in unvorstellbaren Mengen produziert und verkauft wird. Hinter dem Produkt steht ein kaum vorstellbares Kapital und durch die Besteuerung schneiden sich die Staaten die größte Scheibe vom Kuchen ab. In Deutschland wurde z.B. nach den Anschlägen vom 11 September die Tabaksteuer ein klein wenig zur Bekämpfung des Terrorismus erhöht . Damit schaffte sich der damalige Finanzminister mal eben 3 Milliarden Mark an Mehreinnahmen (Am 11 September starben durch die Terroranschläge so viele Menschen wie in Deutschland in 2 Wochen an den Folgen des Rauchens). Wo wir wohl gelandet wären wenn plötzlich alle aufgehört hätten zu rauchen!?
Aber schlechte Scherze beiseite... ist die Zigarette nicht vielmehr Ausdruck eines verachtenswerten Kapitalismus? Menschen die wie süchtige Laborratten zum Zigarettenautomaten laufen und ihr sauer verdientes Geld in die Maschine werfen weil sie keine andere Wahl haben. Eine Maschine die von einem als legal erklärten superreichen Drogendealer in unserer Nachbarschaft platziert wurde um seine Ware los zu werden.
Noch dazu wird dieses Produkt von einer Milliardenschweren Industrie in den Medien als symbolschwangeres begehrenswertes Objekt mit irgendwelchen Bedeutungen aufgeladen. Es ist cool und unangepasst zu rauchen, der Raucher ist ein Genießer und freut sich des Lebens.
Die Wahrheit ist dass hier Menschen ganz bewusst und gezielt in eine physische und psychische Abhängigkeit zum Produkt getrieben werden um möglichst viel Geld zu verdienen. Und meine Arbeit im Callcenter z.b. diente ganz klar dazu die Menschen nicht aus ihrer Abhängigkeit entkommen zu lassen und möglichst viele neue Abhängige zu schaffen. Man versuchte mit den Ergebnissen meiner Arbeit ganz genau zu verstehen was in den Köpfen der Abhängigen zur Zeit los ist und was sie wohl für Pläne haben.
Sicher, es gibt andere Produkte die gesundheitsschädlich und abhängig machend sind. Alkohol an erster Stelle. Und viele Rauchverbotsgegner sehen schon das Alkoholverbot am Horizont. Aber eine Sache die an dieser Stelle klar sein sollte ist, dass niemandem durch den Nichtraucherschutz das Rauchen verboten wird. Es ist nach wie vor möglich zu rauchen. Für mich ist das so genannte Rauchverbot eigentlich nichts anderes als ein kleine Verschiebung der Fronten und der Wertigkeiten. Die Raucher werden gebeten andere Menschen möglichst nicht zu behelligen mit ihrem Rauch. Bisher galt es völlig normal das man einfach drauf los paffen kann in einer Kneipe oder einem Restaurant. Aber ist das wirklich normal? Ist es normal das die Nichtraucher sich in den Qualm setzen müssen? Ist es normal das jemand die Luft der anderen verpestet? Sind die Nichtraucher die sich darüber beschweren wirklich Spießer und Spaßverderber? Oder sind es die Raucher die als Minderheit lange Zeit der Mehrheit der Nichtraucher den Spaß verdorben haben? Und waren die Nichtraucher in ihrer Rolle als Spaßverderber vielleicht einfach müde ihr Recht einzufordern und sich zu äußern?
Ich klinge mittlerweile sicher polemisch und habe den Bogen wohl etwas überspannt. Ich habe selber über 20 Jahre lang geraucht und kann nicht von mir behaupten ich würde über den Dingen stehen. Ich bin mir auch durchaus dessen bewusst das eine Zigarette ab und zu tatsächlich einen Genuss darstellen kann.
Aber ich bin sehr enttäuscht über das Rauchverbot und dessen Umsetzung in Deutschland. Ich bin enttäuscht das hier ein so fundamentaler Diskurs losgetreten wird und sich hier ein bisher ungekannter ziviler Ungehorsam gegenüber einem der in meinen Augen wenigen guten und überfälligen Gesetze der letzten Zeit formiert. Ich wünschte der selbe Eifer würde entstehen wenn es z.B. um Kriege, Terror- und Überwachungswahn, Umweltzerstörung, den Abbau des Sozialstaates oder um den wieder aufkeimenden Faschismus ginge. An allen Ecken und Enden werden unsere Rechte mehr und mehr beschnitten, aber bei diesem Gesetz scheint es fast um die Rettung unserer Gesellschaft zu gehen.
In meinen Augen ist das Rauchverbot ein hart errungener Sieg gegenüber der Tabakindustrie. Wir sollten in dem Gesetz nicht so sehr das Verbot sehen sondern das was es besagt. Es besagt (endlich) dass Rauchen gefährlich ist und ordnet den öffentlichen Raum neu für Raucher und Nichtraucher. Dem Rauchen wird nicht mehr derselbe Platz geboten wie bisher in der Gesellschaft. Und ich denke es ist sehr wichtig dass eine Gesellschaft fähig ist solche Ordnungen durchzusetzen und Werte zu verändern. Der Wert des Nichtrauchens ist nun höher als der des Rauchens. Und in Anbetracht dessen was das Rauchen anrichtet ist das auch richtig. Das sollten sich bitte auch die Raucher eingestehen. Und ich denke jeder Jugendliche der dadurch nicht zum Raucher wird ist es alleine schon wert.
Zudem ist dies ein demokratischer Beschluss der lange verhindert wurde und ich finde er sollte als solcher akzeptiert werden. Es ist nicht etwas was uns von irgendeinem unlustigen spaßbremsigen Diktator aus reiner Böswilligkeit aufgezwungen wird, sondern ein Beschluss einer Gesellschaft deren Teil wir sind und deren Regeln wir auch weitgehend befolgen. Wir fahren ja auch nicht mit 300 km/h besoffen durch die Innenstadt oder schlagen einfach alles kaputt weil es uns irgendwie nicht gefällt oder wir gerade Lust dazu haben.
Ich wünsche mir auch die Zigarette würde allmählich von den Assoziationen befreit die ihr angedichtet wurden. Dass die Zigarette als das unfrei machende Produkt gesehen wird das sie ist, dass wir von einer gigantischen Industrie abhängig gemacht und ausgesaugt werden.
Jeder der gegen das Rauchverbot ist, sich in eine Kneipe setzt und sich dort gemütlich eine Kippe anzündet sollte im Eifer des Gefechts bitte mal ein wenig darüber reflektieren was er gerade macht und sich fragen ob es wirklich das ist was er will. Ich habe das Gefühl dass sämtliche Bedenken gegen das Rauchen zur Zeit irgendwie in einer Wolke blauen Dunstes verschwinden.
Ich bin überzeugt davon dass man auch als Raucher mit einem Rauchverbot Spass am Leben haben kann. Meine Erfahrungen in Italien z.B. bestätigen dies. Selbst die Raucher können dem Gesetz gutes abgewinnen wenn sie z.B. am nächsten Morgen feststellen dass ihre Haare und Klamotten nicht so fürchterlich nach Rauch stinken wie sonst immer. Und Respekt für den Mitmenschen kann auch durchaus etwas sein das Spass macht.